Das Ponyauto

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Hey Boomer!

1960 waren die USA an der Spitze. Das Land war 15 Jahre zuvor als Supermacht unbeschadet aus dem Krieg hervorgegangen, hatte eine florierende Wirtschaft, eine prall gefüllte Staatskasse und produzierte zeitweise mehr als die Hälfte aller Autos der Welt. Das Land war auch extrem jung: Die Hälfte der Amerikaner war unter 20 Jahre alt! Kein Wunder also, dass dort die Popkultur entstand, rund um die Jukebox, den Burgerladen und das Autokino. Und nicht viel später erreichten die „Babyboomer“ das Alter, in dem ein Einkommen, ein Zuhause, ein fester Lebenspartner und eine Familie in Reichweite waren. Und – auf Raten – auch ein Auto.

Der Markt

Autofabriken stellen nicht die Autos her, die ihnen gefallen, für die es aber genügend Kunden gibt, die bereit sind, einen x-Betrag zu zahlen. Ford baute damals wie General Motors und Chrysler gepflegte amerikanische Familienautos, die auf die Bedürfnisse des durchschnittlichen Autokäufers zugeschnitten waren: groß, luxuriös eingerichtet, geräumig, komfortabel. Unter der Haube ein mächtiger Spritfresser. Aber nicht jugendlich oder sportlich. Und nicht billig genug, um von Anfängern gekauft und gewartet zu werden.

Das Pony-Auto

Lee Iacocca, der "menschliche Computer"-Ford-Stratege, der unter Kennedy als Verteidigungsminister diente, sah hier eine Chance. Was er wollte, war ein sportliches und jugendliches Auto mit einem abenteuerlichen Image. Vor allem sollte es sehr günstig sein, sowohl in der Anschaffung als auch in der Wartung. Auch die Entwicklungskosten mussten begrenzt werden, bei Ford hatte man das Edsel-Debakel nicht vergessen. Als Beispiel wurde der Jaguar E-Type betrachtet: eine lange Nase, ein kurzes Heck, kraftvoll, jugendlich, schön wie ein Reh. Ford hat bereits den Thunderbird gebaut. GM hatte die Corvette. Aber für die Zielgruppe waren sie zu teuer. Das waren Pferde. Keine Ponys.

Der Ford Mustang wurde in zwei Jahren auf Basis des Ford Falcon entwickelt, dem damals günstigsten Ford. „Erfolgreiches Design“ ist eine Untertreibung: Das Endprodukt war nicht nur schön, sondern richtungsweisend. Im Gegensatz zum E-Typ gab es vier Sitzplätze, die Rückbank war nicht sehr bequem, aber für Kinder in Ordnung und daher hervorragend für die Zielgruppe. Schließlich zog es der junge Familienvater vor, seine Schwiegereltern nicht auf lange Urlaubsreisen mitzunehmen.

Im Gegensatz zum Falcon hatte der Mustang keinen Vordersitz, sondern schöne mit Kunstleder bezogene Schalensitze. Das Armaturenbrett wurde vom Falcon übernommen, komplett mit Reifentacho. Das hat Geld gespart. In der Lenkradnabe wurde der Text „Falcon“ mit einer Chromleiste bedeckt, die „Mustang“ liest.

Motorisch standen ein 2800-cm³-Sechszylinder-Reihenmotor und ein 4300-cm³-V8 zur Wahl – beide mit einer Viergang- oder Dreigang-Automatik zu koppeln – auch technisch identisch mit dem Falcon. Vorteil: Werk, Distributoren und Händler mussten keine separaten Teilelager führen, alles war schon da.

Ford Mustang Bj 1964 100 PS 6 Zylinder 33 l Hubraum Einbauten

Eigentlich war dieser erste Mustang ein sehr einfaches Auto. Aber Einfachheit ist schön. Und Einfachheit ist Stärke. Der Falcon, auf dem er sich aufbaute, wurde über 30 Jahre fast unverändert in Südamerika hergestellt. Die einfache Technik machte es zuverlässig und die Werkstattrechnung erschwinglich.

Filmdebüt

Um für das neue 'Pony Car' zu werben, bekam er eine Rolle im neuesten James-Bond-Film 'Goldfinger'. Die ersten beiden Bond-Filme waren noch rein britische Produktionen (und waren nicht werbesteif), aber für den dritten Film wurden amerikanische Dollars das Wissen und Können von MGM und dem amerikanischen Regisseur Guy Hamilton herangezogen. Das zeigte sich nicht nur darin, dass die Story teilweise in den USA spielt, sondern auch im Sponsoring: Alle amerikanischen Autos im Film wurden von Ford gespendet (tatsächlich ging ein ganzer Lincoln in die Schrottpresse ). ).

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Die Dreharbeiten begannen im Februar 1964 in der Schweiz, wo Bond (mit seinem legendären Aston Martin DB5) und Jill Masterson in ihrem cremeweißen Ford Mustang Cabrio auf dem Furkapass gedreht wurden. Bond treibt sie fachmännisch mit einem Ben Hur-artigen Schurken in die Berme und beschädigt den Ford schwer. Dieser "Schaden" bestand aus Tricks, denn dieser Mustang war ein einzigartiges Exemplar, das in Dearborn mehr als einen Monat vor Beginn der Serienproduktion von Hand gebaut wurde. Es sollte kein Kratzer sein.

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Doch 007 Goldfinger war nicht die Premiere des Mustangs! Die Ford-Fabrik in Genk hatte im März 1964 ein Muster zusammengestellt und Gerard Oury für seinen Film „Le Gendarme de St. Tropez“ zur Verfügung gestellt. Das Ponycar der Zukunft, der sportliche Ford, wurde von Louis de Funès der breiten Öffentlichkeit vorgestellt, denn De Gendarme kam wenige Wochen früher als 007 / Goldfinger ins Kino.

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Präsentation

Die offizielle Pressepräsentation fand während der Weltausstellung in Seattle im Juni 1964 statt, und fortan spuckte das Rouge-Werk in Dearborn Millionen Mustangs aus. Alle Mustangs erhielten das Modelljahr 1965, aber die ersten mit Falcon-Armaturenbrett und verstecktem Falcon-Hornring heißen 1964 1/5-Modelle und sind bei Sammlern begehrt.

Beispielloser Erfolg

Sie durften nicht weitergezogen werden. Das Edseldrama konnte endlich vom Mustang weggelacht werden. Statt des erwarteten Verkaufs der günstigsten Versionen an junge Leute fragten die Kunden massenhaft nach den luxuriösesten Versionen mit den schwersten Motoren. Diese wurden bald durch schwereres Material ersetzt. Und weil der Mustang als gewöhnliches Familienauto genutzt werden konnte, beschränkte sich die Kundschaft keineswegs auf die Jugend. Um der Nachfrage gerecht zu werden, wurden neben Genk bald auch Mustangs in Amsterdam, Köln und Dagenham montiert.

Inspiration für Capri und Manta

Der Erfolg hält bis heute an. Der Mustang inspirierte Ford of Europe und General Motors Continental zu einem ähnlichen Konzept eines sportlichen Zweitürers auf Basis eines regulären Familienautos in verschiedenen Ausstattungsvarianten und Motorvarianten. Daraus entstanden der Ford Capri (1967) und der Opel Manta (1970). Das war auch der Grund für andere Marken, auf Basis ihrer Familienbox ein ganz anderes, spannendes Coupé oder Cabrio zu bauen, wie zum Beispiel das Triumph Spitfire (unter der Haut ein Herald), der Simca 1000S (genau wie der Fiat 850 unkenntlich neben dem Basisauto) und der Renault Floride (eigentlich ein Dauphine).

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16 Kommentare

  1. Coole Geschichte wieder! Vielen Dank.
    Im Louwman Museum zeigt eine der beiden noch existierenden DB's, glaube ich, die Szene der „007 DB und der „Masterson Mustang“ in der Schweiz.
    Der Reiz dieser Szene liegt auch hier in der Unwirklichkeit.

  2. Respekt für den Mustang-Artikel von Olav ten Broek. Auch die meisten Antworten sind auf hohem Niveau.
    Grund für mich auf Auto & zu sein Motor Klassiek zu abonnieren. In gewisser Weise bedeutet das eine Rückkehr, denn ab 1980 fanden die ersten Redaktionssitzungen von Het Automobiel bei mir zu Hause statt. Auch später viel für Voiture's Courant geschrieben. Alles landete im Korb von AMK.

  3. Schöne Geschichte von einem tollen Auto!

    Alleen Triumph Spitfire, der Simca 1000s (Coupé) und der Renault Floride waren sicherlich schon vor dem Mustang da; 1962, 1961 und sogar 1958 für den Renault. Hätte Ford dann den Trick in Europa kopiert?

  4. Hallo Olav

    Ich bin immer bereit, jemanden im Unrecht zu erwischen, diesmal SIE: McNamara war Managing Director unter Henry Ford II und wurde abberufen, weil er einen Job als Verteidigungsminister bekam. Aber der Mustang war das Kind von Lee Iacocca, der
    war Designdirektor.

  5. Wer zum ersten Mal im Film Goldfinger einen kompletten Lincoln Continental in eine Schrottpresse geworfen sah, die gepressten Reste auf einen Ford Ranchero Pickup legte und wieder losfuhr fragte sich, ob das überhaupt möglich sei.

    Die Antwort muss lauten: „Nein, das geht sicher nicht“. Der Falcon Ranchero hatte eine Nutzlast von 363 Kilo, ein Lincoln Continental wog 2.359 Kilo und enthielt im Film Gold im Wert von einer Million Euro bei einer Masse von 880 Kilo.

    Zu Hause musste der arme Oddjob wieder all das Gold aus der Dose trennen. Seltsamerweise hätte er es aus dem Kofferraum nehmen können, bevor der Continental in Blechdosen gepresst wurde. Über die dummen Fehler bei Goldfinger kann man jedenfalls ein Buch schreiben.

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  6. Ein absolutes „PONYCAR“ ist vergessen, nämlich der Wanderer Marlin, der die Ford-Männer auf die Idee brachte, ein Auto für die Jugend auf den Markt zu bringen. Studierte das Modell Tarpon 1963 und vermarktete Anfang 64 als MARLIN den Vorgänger des MUSTANG von AMC dem ewigen „Underdog“ in der Autowelt.

    • Ich bin froh, dass Sie es angesprochen haben, denn ich habe nicht einmal daran gedacht. Ja, AMC war der dem Untergang geweihte Außenseiter und hat es nicht geschafft. Obwohl sie 1973 auch einen James-Bond-Film gesponsert haben: Leben und sterben lassen.

  7. Schöner Artikel Olav!
    Ich kannte nicht einmal den Mustang
    Hergestellt in Amsterdam(!)
    Wieder etwas gelernt. Sie bleiben ikonische Autos. Beeindruckend und schmerzlich die Erkenntnis, dass das junge Amerika jener Zeit ein Auswuchs des Krieges war. Babyboomer, aber auch eine Generation von Männern, die durch den Krieg weitgehend aus der Gesellschaft herausgeschnitten wurden. Paradox, dass all dies zu etwas so Schönem wie einem Mustang geführt hat.

    • Die Vereinigten Staaten zahlten einen Tribut von 418.500 Menschenleben und natürlich eine enorme Anzahl von Kriegsschiffen und anderer Ausrüstung, aber das war (sicher im Verhältnis) begrenzt im Vergleich zu den, ich nenne 1 Million Philippiner, 3 Millionen Japaner, 3,5 Millionen Niederländische Inder, 5,6 Millionen Polen, 6 Millionen Deutsche, 20 Millionen Chinesen und 27 Millionen Sowjets. Außerdem war US-Territorium verschont geblieben und ihre Industrie war dank der Kriegsanstrengungen wichtiger denn je. Außerdem war die ganze Welt beim US-Finanzministerium verschuldet. Eine bessere wirtschaftliche Lage ist nicht vorstellbar. Die Party dauerte bis etwa 1973, der ersten Ölkrise und der japanischen Invasion (nicht militärisch, aber diesmal mit kleinen, sparsamen und zuverlässigen Autos).

  8. Schönes Auto, Design. Die geringere Qualität war jedoch dem (zu) niedrigen Preis geschuldet. Die Restaurierung ist einfach durchzuführen, da sie nicht zu teuer ist. Gib mir einfach GM.

  9. Wie bei den meisten Modellen ist die erste Serie die attraktivste und begehrteste.
    Sie fragen sich vielleicht, warum Autohersteller immer dazu neigen, ihre erfolgreichen Modelle zu modernisieren = falsch zu beherrschen, wenn sie mehrere Jahre auf dem Markt sind.
    Ich hätte auch gerne so einen frühen Mustang, solide, gepflegt und sooo wiedererkennbar aus den vielen Filmen!

    • Dies geschieht, um die Inzahlungnahme attraktiv zu machen. Nach ein paar Jahren steht eine neue Version im Showroom und plötzlich ist Ihr Auto „das alte Modell“ geworden. Und ein Auto – sicherlich in Amerika – ist nicht nur ein Fortbewegungsmittel, sondern auch ein Statussymbol, man zeigt, wie erfolgreich man ist. Ich muss sagen, dass Ford bis heute immer einige Styling-Hinweise von diesem ersten Mustang beibehalten hat, wie zum Beispiel die dreifachen Rücklichter.

      Das machen sich Autohersteller zunutze.

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