Rostock bei Nacht – Kolumne

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Ich saß auf einer Terrasse in Rostock. Ein alter, abgespeckter Goldwing kam über den Platz gekracht. Das Ding machte eine Kehrtwende. Gestoppt. Der Fahrer trat aus dem Ruder und kam zu mir herüber. Er war groß, anabol breit und doppelt tätowiert. Bauchmensch statt Biker. Mit einer totenkopfberingten Hand deutete er auf meine Ural-Kombination. „Mensch, was machst du hier mit so ein blödes Ding?!“ Das musste also erklärt werden. „Setze dich und nimm ein Bier.“ Mein Tischnachbar, der aussah wie ein erfolgreicher Disney-Neonazi mit viel nationalsozialistischer Prägung, stellte sich vor: „Großer Dirk“. Aber sein Biker-Club-Name war Adelwolf. Mein Name ist Dolf. „Ah, … Adolf?“ „Ja, aber über die indische Seite.“

Und der fragliche Großvater Dolf ging verloren, als das Handelsschiff, auf dem er segelte, von einem japanischen U-Boot torpediert wurde. "Ach so. Dass war damals ja alles. Scheiße war schlecht.“

Adelwolf entpuppte sich als Vorsitzender der örtlichen Biker-Gang. Faul bis ungefähr dreißig. Fair bis gut ausgebildet. Arbeitslos, hoffnungslos. Schließlich wurden ehemalige Ostdeutsche diskriminiert. „Scheiße!“ Wir nahmen noch eine Kanne Bier. Das Dienstmädchen behandelte mich mit neuer Ehrfurcht. Anscheinend war ich in guter Gesellschaft. Fat Dirk musste weitermachen. Er sagte, wenn ich um acht Uhr wieder hier wäre, könnte ich zum Clubabend mitkommen.

Um 20.01 Uhr donnerten vier Motorräder auf den Platz. Sie bleiben genau, diese Deutschen. Hände wurden geschüttelt. Namen ausgetauscht. In Kolonne verschwanden wir zum Außenbereich. Die Deutschen lieben Kolumnen. Es gab einen verlassenen Schuppen, der vom Club übernommen worden war. Wir waren nicht die ersten. Denn auf dem Platz standen schon ein paar ältere, schwere japanische Fahrräder. Ein Ural wurde im vollen Vertrauen auf das gute Wetter restauriert. Unter freiem Himmel. Adelwolf wurde respektvoll empfangen. Ich als Eingeladener wurde freundlich empfangen. Die Bierkiste, die ich dem Team abnahm, wurde mit gespielter Empörung entgegengenommen. „Wenn wir einer einladen, braucht der nichts mitzunehmen!“ Aber trotzdem: „Skol!“

In zivilen Augen sahen sie ein bisschen beängstigend aus. Aber es waren nette Leute. Sie haben mit ihren sozialen Einschränkungen etwas daraus gemacht. Es waren ungefähr zwanzig Männer. Es gab ein paar Biker-Girls. Es gab Bier, Bratwurst. Kartoffeln wurden mit Schale auf dem Feuer gebacken. Später stellte sich heraus, dass die Scheune als Bar, Werkstatt, Motorradabbruch und Lagerschuppen genutzt worden war. Ein Aufzug, viele Werkzeuge.

Unter den Schädlingen befanden sich einige jüngere Motorräder und Autos mit ausländischen Nummernschildern. Es gab einige Kisten mit Literflaschen Wodka. Ungefähr hundert Kisten. Eine Schrotflinte schwang hinter der Bar. Auf dem Grundstück hinter dem Schuppen wuchs Hanf. Nebeneinkommen und Sicherheit wahrscheinlich. Es wurde immer später. Es blieb angenehm. Es gab heftiges Blasen. Sie fuhren mit meinem Ural im Kreis. Eine Art hemmungslose Achterhoek-Gemütlichkeit. Irgendwann wurde ich gefragt, ob ich für den Rest der Nacht einen Schlafplatz hätte. Also nein. Ich durfte im 'schlafen'Gäste Zimmer '. Und es stellte sich heraus, dass es belüftet und sauber mit frischer Bettwäsche war. In Deutschland haben Outlaw-Biker gangs ihre Normen und Werte.

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8 Kommentare

  1. War früher nicht der Slogan: Auf einer Honda trifft man die verrücktesten Leute??

    Ja, und ich weiß, es war "am schönsten", aber damals in der Schule hat es Spaß gemacht, einen SS50-Fahrer damit zu ärgern 🙂

  2. Schöne Geschichte Dolph. „Die Deutschen lieben Kolumnen“.
    Mein Großvater war auch auf diesem torpedierten Boot, glaube ich. Aber er überlebte und durfte seine Freizeit damit verbringen, eine Burma-Eisenbahn zu bauen. Und neulich habe ich ein Buch von Charles Burki gelesen. Auch er wurde damals auf dem Weg nach Nagasaki torpediert.

    • vor allem wenn man bedenkt, dass es sich um einen (älteren) VW handelt, ganz zu schweigen von einem Goldwing!
      Schöne Geschichte wieder (a)Dolf!

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